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Norman Dieballgestorben am 7. Mai 2023

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Lieber Norman,
ich habe leider viel zu wenig Zeit mit Dir teilen können; viel weniger als Brüder das eigentlich tun (sollten). Durch die Entscheidungen unserer Eltern war ich schon nicht mehr da, als Du erst sieben Jahre alt warst. Und auch in all den Jahren seither war ich vor allem immer weit weg, weil das Leben Dich nach Karlsruhe und mich über Umwege nach Berlin geführt hat. Oft habe ich gedacht und gefühlt, dass ich als großer Bruder damals für Euch hätte da sein sollen. Aber mit vierzehn weiß man das nicht...
So haben wir uns 44 Jahre lang immer mal wieder hier und da gesehen und Dein Leben war für mich eine Abfolge von Schnappschüssen. Schule, Studium, Job, Freundin habe ich aus weiter Ferne mitbekommen. Manchmal war ein wenig Zeit, darüber zu reden. Aber eigentlich haben wir immer viel lieber über die schönen Dinge des Lebens gesprochen: Kunst, Musik, Geschichte, Reisen, die Welt. Fußball manchmal auch. Deine Hochzeit mit Kerstin durfte ich erleben, Luca als sie klein war. Ihr wart mal in Berlin, wir mal in Karlsruhe, ein paar Familienfeiern. Aber das war alles viel zu wenig. Auch unsere Telefonate, die gerne mal länger gingen, waren nicht genug.
Und dann hast Du mir zum Geburtstag, als Ihr alle nach Rüschli gekommen wart, eine Eintrittskarte für ein ASP Konzert in Dresden geschenkt, verbunden mit der Idee, ein gemeinsames Wochenende in Elbflorenz zu verbringen. Welch ein Geschenk! Deine Idee führte zu fünf gemeinsamen kurzen Reisen. Nach Dresden, Aachen, Maastricht und Monschau, Metz und Verdun, Quedlinburg, Danzig, Zoppot und Malbork sind wir gefahren. Und die Reisen führten uns zueinander. Das gemeinsame Erleben, freuen, genießen und endlos darüber reden war das eigentliche ganz große Geschenk! Dafür bin ich unendlich dankbar. Mein Bruder.
Und dann kam dieser Tag im März des letzten Jahres. Man hat ein 4cm langes Etwas in meinem Kopf gefunden, schriebst Du. Und die Welt war eine andere. Danach hast Du vor allem eines getan: gelebt! Das wolltest Du ganz unbedingt und so viel davon, wie möglich. Du hast öfter gesagt, dass dieses Jahr Dein bestes gewesen sei und meintest all die Menschen, die Dir ihre Zuneigung gezeigt und Ihre Zeit geschenkt haben. Du musst wissen, dass es für uns alle ein Geschenk war, Dich um uns zu haben. Dein Leben wurde unterdess nicht eben leichter. Aber Du warst so sehr tapfer und hast es getragen, wie Du als Stoiker das meiste in Deinem Leben getan hast: ruhig, äußerlich gelassen und den Menschen um Dich herum zugewandt. Darin bist Du mir unerreichtes Vorbild.
Deine letzte Reise hat Dich nach Berlin geführt. Fünf Tage durften wir zu dritt die Museen unsicher machen, Räume im Schloss Charlottenburg sehen, die man eigentlich gar nicht sehen darf, in Archäologie, Geschichte und Kunst schwelgen und abends beim gemeinsamen Essen darüber philosophieren und uns zusammen freuen. Das mit Dir noch erleben zu dürfen, war vielleicht das größte Geschenk. Ich werde so vieles davon für immer im Herzen behalten.
Die letzten zweieinhalb Monate war Dein „Leben“ eine Katastrophe. Mit zunächst unsäglichen Schmerzen, dann ans Bett gefesselt und bald mit Fässern von Morphium dem Leid und dem Leben entnommen. Es war ein langsames Sterben, das Anja und ich ein paar Schritte weit mit begleiten durften. Du warst nie alleine. Selbst nachts haben sich großartige Freunde an Deiner Seite abgewechselt. Und auch als Du Dich entschieden hast zu gehen, haben liebe Menschen Deine Hand gehalten. Das ist mir viel Trost. Auch dass Dein Kampf nun ein Ende gefunden hat. Du lächelst leicht und befreit auf dem letzten Foto, das man von Dir gemacht hat. Und ich hätte so gerne noch viele Fotos von Dir gemacht. 51 ist scheißjung!
Du bleibst in meinem Leben, mein Bruder! Du bist nicht fort. Es ist so wie es immer war: ich bin nur woanders, aber ich denke an Dich!
Dein Markus